Persönliche Gedanken von Jürgen Wagner im April 2018  

Zwei Welten Theorie            

Wir „leben“ in zwei Welten :

der  Realen Welt   und der “Welt” in unserem Kopf, unserer   Gedankenwelt .

Für mich ist es hilfreich, deutlich zwischen diesen beiden “Welten” zu unterscheiden.

Unter  “Realer Welt”  verstehe ich die Welt, die es auch ohne mich und meine Gedanken gäbe , die es schon vor meiner Geburt gab, und die auch nach meinem Tod weiter existieren wird. Zur  „Realen Welt“  gehören :  der Boden unter meinen Füßen –

mein Körper – die Natur –  das Universum – Bäume – Berge – Tiere  .  .  .

            Meine “Gedankenwelt“  ist das  „Bild“ , das ich mir  von der  Realen Welt   mache .

Dazu gehören :  meine subjektive Wahrheit  ( die Gedanken, die ich für wahr halte ) 

  • eigene Erfahrungen – Pläne – Ideen –  Theorien – Mathematik  – Romane – Märchen -Phantasie – Religion – Wünsche – Träume – Gefühle .

            Nach meinem Verständnis gehören dazu auch alle unbewußt (automatisch)

            im Gehirn ablaufenden Programme. (vergleichbar mit Computer – software)

Das “Bild” der Welt  in meinem Gehirn (wobei “Bild” nicht wörtlich zu nehmen ist)

besteht aus vielen Einzelteilen, die ich wie bei einem Puzzle zusammenfüge .

Es dient mir wie eine Landkarte,  mich in der   Realen Welt   zurechtzufinden.

Das Leben in der  Realen Welt   ist ein Prozeß,

mit dessen Möglichkeiten und Grenzen wir  tagtäglich konfrontiert sind.

Wir müssen Geld verdienen, um Essen, Kleidung, Wohnung und vieles mehr

zu bezahlen. Im Zusammenleben mit den Mitmenschen müssen wir Rücksicht

nehmen. Unsere persönlichen Grenzen werden uns aufgezeigt.

Das hält uns – wie die Schwerkraft –  „auf dem Boden der Tatsachen“.

            Vieles, was im realen Leben  unmöglich ist . . .  in der Gedankenwelt  ist es „denkbar“  ,  unbehindert von harten Tatsachen .

Die Hirnforschung hat ergeben :

Die Entstehung der Gedankenwelt beginnt mit der Wahrnehmung durch die Sinnesorgane. Dabei nehmen wir die Reale Welt nicht wahr, wie sie wirklich ist, z.B.

    o   Wir können nur wahrnehmen, was für die Sinnesorgane erfassbar ist.

    o   Wir sehen nur das, worauf wir unsere Aufmerksamkeit richten

         (selektive Wahrnehmung ) .

    o   Wahrnehmungsinhalte werden automatisch vom Gehirn bearbeitet,

         bevor sie ins Bewußtsein gelangen  ( siehe optische Täuschungen).

Das Gehirn speichert nicht einfach Bilder, sondern macht sofort eine “Bildbearbeitung”.

Anschließend versucht das Gehirn die “Puzzle”teile mit bereits vorhandenen anderen Puzzleteilen zu verbinden. Manchmal verbinden wir Teile, die garnicht zusammenpassen. Wir können etwas, das wir gerade sehen, in nahezu beliebiger Weise mit anderen Sinneseindrücken, Erinnerungen , Erfahrungen oder Phantasien verknüpfen.

Wir können unserer Phantasie freien Lauf lassen .

Wir können z.B. einen Zusammenhang herstellen zwischen einer Katze

und unserem Lebenlauf :   „Schwarze Katze von links nach rechts – bringt Schlechts“ .

            Die  „Bilder“ seiner Gedankenwelt konstruiert sich  also jeder Mensch selbst.

            Philosophen nennen diese Idee      Konstruktivismus  .

            Damit  sich in unserem Kopf  kein  nutzloses Chaos festsetzt, hat unser Gehirn

            Funktionsbereiche, die das Chaos von Sinneswahrnehmungen filtern, bewerten und ordnen.

            Die meisten dieser Systeme funktionieren weitgehend automatisch

            und dadurch   schnell  und ohne viel  Energieaufwand.

            Automatisch  bedeutet dabei auch : ohne daß sie uns bewußt werden.

Der allergrößte Teil unseres Gehirns funktioniert ohne Bewußtsein – glücklicherweise.

Wir wären sonst völlig überfordert mit den Unmengen im Laufe unseres Lebens gespeicherten Informationen und würden nie zu Potte kommen (Entscheidungen treffen).

Der kleine Teil unseres Gehirns , in dem bewußtes Denken stattfindet ,

(der dorsolaterale präfrontale Cortex) ,

            ist reserviert für Aufgaben, die  neu und komplex sind,

            sodaß sie nicht automatisiert erledigt werden können:

(  Z.B. , wenn ich meinen Tagesablauf plane : “ . . . nach dem Frühstück  –  Einkaufen,

weil Freunde zu Besuch kommen ,  . . . was brauch ich da alles . . . ?”  )

Dieser Gehirnbereich wird auch  als Arbeitsgedächtnis bezeichnet. Er entspricht dem

Arbeitsspeicher beim Computer. In diesen Bereich werden nur die Teile unserer Gedächtnisinhalte vorgelassen, die in der gegenwärtigen Situation bedeutsam sein könnten.

Im Arbeitsgedächtnis werden die Gedächtnisinhalte mit  Aufmerksamkeits-Bewußtsein

wie mit einem   Scheinwerfer   beleuchtet. Sie müssen in der aktuellen Situation neu kombiniert, geordnet und bewertet werden. Die Neurobiologen können zeigen, daß dabei Verbindungen zwischen Nervenzellen aktiviert oder neu gebildet werden. Das kann nicht automatisiert, leicht und schnell ablaufen .    Bewußtes Denken ist deshalb anstrengend

            und verbraucht viel Energie. Das kann man im Hirn-Scan an der starken Durchblutung

und dem hohen Zuckerverbrauch sichtbar machen.

In unserer Gedankenwelt haben wir Freiheiten, die es in der Realen Welt nicht gibt.

Wir können uns großartige  Theorien ausdenken wie z.B. die Relativitäts-Theorie,

Pläne für den Alltag schmieden, witzige Phantasie-Geschichten ausdenken .

Unsere Gedankenwelt –  die unbewußte und die bewußte – wäre ein spontanes Chaos,

wenn sie nicht ständig überprüft, bewertet und geordnet würde.

Die wichtigen, neuen und komplexen Probleme werden dazu ins Bewußtsein geholt .

Mit bewußter, kritischer Aufmerksamkeit können wir  das manchmal verwirrende

Durcheinander unserer  Gedanken ordnen, die verschiedenen Aspekte bewerten, Brauchbares von Unbrauchbarem trennen, Unsinniges aussortieren.

Diese Anstrengung  nehmen wir nur auf uns,wenn wir erwarten, daß es sich lohnt :

die Gedanken  (Pläne,Landkarte),  die wir uns – in unserer Gedankenwelt

gemacht haben, können uns helfen , in der Realen Welt zurechtzukommen.

Das funktioniert nur, wenn wir lernen, zwischen Gedankenwelt und Realer Welt zu unterscheiden.

Manchmal fliehen wir  vor den Problemen  der   Realen Welt  in die   Gedankenwelt .

Wir bauen uns dort eine märchenhafte, problemfreie Traumwelt auf.

Das  kann  gut sein  , um mal zu entspannen, die Seele baumeln zu lassen ,

neue Kraft für den Alltag zu sammeln.

Die Probleme der   Realen Welt  lösen sich dadurch natürlich nicht.

Wenn wir die Grenzen zwischen    Realität und Gedankenwelt  aus den Augen verlieren ,

können ungelöste Probleme sich so weit ausdehnen, daß wir darin versinken.

Dann kann manchmal nur ein Coach oder ein Psychotherapeut helfen,

den Weg zurück in die „Reale Welt“ zu finden.